Zur Erinnerung an den rassistisch motivierten Mord am US-Bürge rGeorge Floyd durch US-Polizisten am 25. Mai 2020 in Minneapolis im US-Staat Minnesota wurde am Freitag, 4. Dezember, am Verbindungsweg zwischen dem Parkplatz des Supermarktes irma/aktiv und der Schützenhofstraße in Osternburg ein Straßenschild „George-Floyd-Weg“ durch den Förderverein internationales Fluchtmuseum e.V. installiert.
Rede von Veronika Oduro
Ich bin in Deutschland (Leer Ostfriesland) geboren. Meine Mutter ist Deutsche und mein Vater kommt aus Ghana (Westafrika).
Ich schließe derzeit mein Masterstudium an der Uni Oldenburg ab und lebe seit mittlerweile ca. 10 Jahren mit meinem Mann und unseren beiden Kindern hier in Oldenburg.
Wenn ich meine Erfahrungen sprechen lasse, habe ich immer so den Eindruck, dass die erste Reaktion auf die Thematisierung von Rassismus auf Abwehr oder zumindest Unbehagen stößt. Von meinem Gegenüber höre ich “Rassismus gibt es bei uns nicht!” oder “Ich bin kein Rassist!” Während sich meinerseits Fragen auftun, woher Rassismus kommt, Ist es Hass, ist es Neid?”
Ja, was ist Rassismus eigentlich: Es ist letztlich ein Machtsystem. In der Geschichte haben Weiße Menschen in Rassen unterteilt, wobei Schwarze Menschen als minderwertig galten. Die Forschung brachte jedoch hervor, dass es keine unterschiedlichen Menschenrassen gibt. Das, was biologisch also nicht mehr haltbar war, hat einfach eine Verschiebung in den sozialen Sektor erfahren.Dabei wird auch das Machtverhältnis deutlich.
Als Folge aus der Kolonialzeit schreibt die weiße Mehrheitsgesellschaft Schwarzen Menschen bestimmte Eigenschaften zu, die Diskriminierung zur Folge haben. – Ich möchte kurz anmerken, dass ich bewusst die aus dem Empowerment entstandenen, politischen Begriffe “weiß-sein” “Schwarz-sein” und “People of Colour” gebrauche. – Diskriminierung erfahren People of Colour in verschiedenen Bereichen, ob im Alltagsgeschehen oder auf institutioneller Ebene, manchmal eher subtil und manchmal direkt und auch gewaltvoll, wie wir im Falle von George Floyd sehen mussten. Und das ist kein Einzelfall, und das passiert auch nicht nur in den USA, sondern auch woanders, so auch hier bei uns in Deutschland.
Aus dem Alltag könnte ich Ihnen eine Vielzahl an Beispielen geben, in denen ich und meine Familie rassistischen Äußerungen und Handlungen ausgesetzt sind: Z.B. der ungefragte Griff eines Fremden in unsere Haare, aber auch das manchmal grenzenlos erscheinende Ausfragen, das meistens mit der Frage, warum ich so gut deutsch sprechen könne, beginnt. Das Ganze wird dann als “Interesse” oder “Neugier” getarnt, lässt mich aber ganz klar wissen: “Du bist anders, du gehörst nicht zu unserer Gesellschaft”. Nachdem ich solche Fragen oftmals einfach beantwortet hatte – vor allem als ich jünger war. Ich wollte auch nicht unfreundlich erscheinen -, bekam ich zum Ende eines solches Gesprächs bzw. eher einseitigen Ausfragens zum Abschied nochmal das “Kompliment”: “Aber deutsch kannst du wirklich gut sprechen”. – Ermüdend.
Ich war vor einigen Jahren Pendlerin und saß mehrere Tage die Woche im Zug. Es kam nicht sehr häufig vor, aber jedes Mal, wenn ein Polizeibeamte durchs Abteil lief, konnte ich sicher davon ausgehen, dass ich kontrolliert werden würde – obwohl er viele Reihen vor und nach mir ausgelassen hatte. – Zufall? Zu meiner Schulzeit lösten viele Kinderlieder oder Reime ein Unbehagen in mir aus. Wie oft haben wir das Sportspiel “Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?” gespielt, das möglicherweise einige kennen werden. Auch der Blick ins Erdkundebuch, in dem Afrika oftmals so plakativ primitiv und einseitig dargestellt wurde, trug dazu bei. Die Rolle des kriminellen Gangsters in Videospielen und Filmen hat häufig eine Figur oder ein Schauspieler of Colour.
Warum erzähle ich das? Wie ich zu Beginn sagte, möchte eigentlich keiner ein Rassist sein oder mit Rassismus in Verbindung gebracht werden. Ich frage mich manchmal eher, wie es überhaupt möglich ist, nicht rassistisch zu denken? Umgeben von Zuschreibungen, wie die People of Colour angeblich sind, macht doch etwas mit unserem Unterbewusstsein – und das von frühster Kindheit an. Verstehen Sie mich nicht falsch, natürlich sind nicht alle Weißen Rassisten, ich bin sehr froh, dass es viele Menschen gibt, die darüber reflektieren. Und es bedarf stets der Reflexion über Gehörtes und Gesehenes.
Es reicht aber nicht zu sagen “Das ist doch nur ein Kinderlied, das ist doch nicht böse gemeint!” Womit wir uns füttern, das wächst auch in uns heran. Welches Endergebnis ist wohl zu erwarten, wie auf eine Personengruppe reagiert wird, die wiederholt negativ attribuiert wird? – Nicht alle und nicht immer, aber Wie reagiert dann wohl ein Polizist auf einen Man of Colour? Wie behandelt eine Lehrerin dann wohl ein Child of Colour? Wie sieht ein/e ArbeitgeberIn, Kollege/Kollegin, VermieterIn oder NachbarIn … eine Woman of Colour?
Ja genauso, wie es ihm oder ihr das ganze Leben lang suggeriert wurde – und das z.T. unbewusst, und wir müssen uns doppelt und dreifach erklären und beweisen. Ich hoffe, Sie können mir folgen. Ein privilegierter weißer Mensch aus der Mitte der Gesellschaft weiß möglicherweise nicht, dass er in der einen oder anderen Situation rassistisch gehandelt hat. Und wenn die Bezeichnung “Rassist” direkt auf Abwehr stößt, lassen Sie sie uns doch erstmal beiseite legen und sagen: “Deine/Ihre/eure Aussage oder Handlung hat mich/uns (People of Colour) verletzt!”
Wenn man das dann tatsächlich nicht bewusst gemacht hat – was ich der Person auch wirklich glauben möchte – dann lassen Sie uns die Strukturen aufspüren, die unser Handeln maßgeblich beeinflussen. Wir müssen uns eingestehen, dass ein Rassismus vorhanden ist, von dem viele (Praktizierende) gar nichts wissen – und das nicht nur von Rechts, sondern aus der Mitte der Gesellschaft.
Das individuelle Reflektieren ist sehr wichtig, noch wichtiger ist, dass anerkannt wird, dass es sich um ein strukturelles Problem handelt, an dem gemeinsam gearbeitet werden muss.
Zum Glück ist schon vieles Geschehen und Aktionen wie die heutige setzen ein weiteres Zeichen und können zum Reflektieren anregen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass sowas in der Stadt Oldenburg möglich ist.